Cerro Provincia

15.04.2023    5 Minuten     0 Kommentare


Der Cerro Provincia ist der nördlichste Berggipfel innerhalb der Bergkette Sierra de Ramón, welche sich östlich direkt an der Stadtgrenze Santiagos befindet. Eigentlich wollten wir die 25 km lange Bergkette über ein Wochenende mit dem Zelt überqueren, aber aufgrund der extremen Trockenheit und der Tatsache, dass es seit September letzten Jahres nicht geregnet hat, gibt es zu dieser Jahreszeit keine einzige Wasserquelle. Daher haben wir uns für einzelne Tageswanderungen auf den Cerro Provincia und den Cerro Minillas entschieden.

Noch vor dem Sonnenaufgang klingelte der Wecker. Lediglich mit einer Banane und einem Apfel im Bauch ging es los zur heutigen Wanderung, die Attila alleine gemacht hat. Ich fuhr zunächst mit der Metro und mit dem Bus bis zum Plaza San Enrique, der östlichsten Haltestelle der Stadt. Nur für das letzte Stück bis zum Eingang vom Puente Ñilhue Park habe ich ein Uber bestellt (ca. 10 Minuten Fahrtzeit).

Von der Hauptstraße runterkommend verlief der Weg zunächst über eine Brücke. Das Strömen des pastellblauen Mapocho Flusses, welcher Santiago in der Mitte teilt, war unter mir laut zu hören. Von hier aus ging es recht zügig bergauf, während das Tal unter mir noch im tiefen Schlaf des Morgennebels lag. Zunächst noch im Schatten der Berge, tauchte die Sonne langsam auf und erweckte den Tag zum Leben. Als ich die steinige Schlucht verlassen habe, wurde das Gelände weniger Steil.

Die Vegetation änderte sich mit steigender Höhe. Zunächst noch bestehend aus größeren Sträuchern kamen bald die ersten Kakteen dazu. Diese ragten anmutig aus dem trockenen Boden in den Himmel empor. Es war gerade die Blütezeit der Kakteen, die von zarten, roten Blüten über die ansonsten stachelige Oberfläche verziert waren.

Der grandiose Ausblick zur nebeligen, chilenischen Hauptstadt mit den blühenden Kakteen brachte mich mehrmals zum Anhalten und Fotos machen. Der Provincia ist einer der beliebtesten Berge untern den Santiaguinos (Einwohnern von Santiago), denn die Strecke zum Gipfel ist gut aus der Stadt erreichbar, nicht zu lang oder gefährlich, dennoch bietet dieser ordentliche Höhenmeter um aus dem Alltag rauszukommen und sich etwas zu bewegen. Dementsprechend wurde ich von einigen Trailrunnern überholt, die die frischen morgendlichen Temperaturen zum Sport machen nutzen.

Der Weg ging zunächst zu einem Vorberg, dem Cerro Alto del Naranjo (1890 m). Hier treffen sichregelmäßig junge Leute aus der Stadt, um den Sonnenuntergang zu genießen. Der Alto Naranjo ist ein eher flaches Plateau, wodurch es nicht wie ein Gipfel wirkt. Auf diesem Plateau befindet sich ein einsamer aber riesiger Seifenrindenbaum (Quillaja saponaria). Dieser, sehr besondere Baum enthält Saponine, was auf lateinisch Seife bedeutet und zum Reinigen geeignet ist. Diese Eigenschaft kannte bereits das indigene Volk Mapuche, welches die Saponine zum Waschen von Haaren, Händen, Utensilien, Kleidung etc. benutzt hat. Die Frucht dieses Baumes ist für Wildtiere sehr attraktiv. Sie fressen diese und lassen den Samen beim Stuhlgang an anderer Stelle verstreut zurück, was dem Baum bei der Reproduktion hilft.

Nicht viel Zeit blieb mir zur Bewunderung dieses wunderbaren Baums, denn ich hatte immer noch knapp 900 Höhenmeter zu meistern, bevor ich den Gipfel der Provincia erreichte. Der weitere Weg verlief mit wunderbarem Ausblick zum immer noch benebelten Santiago, vorbei an mehreren Aussichtspunkten und Bänken.

Am Gipfel angekommen, hat sich der atemberaubende Ausblick Richtung Osten auf die Andenkette erweitert. Man konnte auch den Cerro Colorado und die benachbarten Skidörfer erkennen, welche später als Ausgangspunkt zu unserem Versuch der Besteigung von Cerro El Plomo dienen werden. Es gab hier oben auch eine kleine Schutzhütte, die aussah wie eine Raumstation auf dem Mars. Dies kann bei der mehrtägigen Überschreitung der Sierra de Ramón Kette sehr hilfreich sein.

Ich machte nur eine kleine Essenspause und ging dann den Weg weiter. Ich habe auf meiner Karte eine alternative Route gesehen, die ich zum Runtergehen benutzten konnte, um eine Rundtour zu machen. Als ich einen Einheimischen auf dem Gipfel nach dem Weg gefragt habe, erzählte er, dass der Weg in Ordnung sei, jedoch gibt’s keine Markierungen und am Ende des Weges muss ich wohl trampen, weil dort die Busse nur im Skisaison fahren.

Der Weg war zuerst flach und verlief Richtung Anden mit klarem Blick zur Hauptkette. Dann kam ich zu einer Stelle an, wo der Bergkamm, auf dem sich mein Weg befand, durch vulkanische Aktivität zerstört wurde. Ich musste daher an einer steilen Wand hinabsteigen. Durch Vulkan geformte, gerundete Steine waren in jeder Richtung zu sehen, welche mir trotz ihres Alters von mehreren tausenden Jahren so vorkamen, als ob diese gestern noch flüssig gewesen wären. Auf der anderen Seite der Schlucht musste ich wieder auf das ursprüngliche Niveau hochklettern, um mein Weg auf dem Bergkamm fortzusetzen. Nicht viel später erreichte ich einen weiteren Gipfel, den Cerro Ñipa (2347 m).

Ab hier hat sich der Weg in die Länge gezogen, stundenlang wanderte ich immer tiefer und tiefer. Nicht wie beim bergauf gehen, wo ich mehrere Trailrunner getroffen haben, traf ich bergab nur auf zwei Menschen, welche gerade die Blumen und Bäume fotografiert haben. Mit jedem Meter bergab wurde die Vegetation immer dichter und grüner. Der überall verstreute Kuhdung hat darauf hingedeutet, dass hier normalerwiese auch viele Kühe unterwegs sind. Ich habe jedoch keine gesehen, bis auf eine verunglückte hinter einem Baum, welche vermutlich beim Runterrennen auf dem steinigen Boden weggerutscht und gegen einen Baum geprallt ist. Die Reste von verstorbenen Tieren werden hier nicht beräumt, sondern dem Aasfresser Andenkondor, also dem Nationaltier von Chile, hinterlassen.

Auf dieser Seite des Berges habe ich noch mehr blühende Kakteen beobachtet. Unten wieder angekommen, musste ich nur noch auf einer Schotterstraße zum Eingang des Parkes zurücktraversieren, wo ich meine Tour gestartet habe. Noch einmal den Fluss Mapocho überquerend war ich schon wieder auf der Hauptstraße. Nach ca. 2 Minuten des Wartens wurde ich von zwei Jungs mit einem riesigen Pickup zurück nach Santiago mitgenommen. Auf dem Kofferraum des Autos waren zwei Mountainbikes. Die Jungs waren nach einem Downhill-Wettbewerb (Abfahrtsrennen) auf den Skipisten von La Parva wieder unterwegs zur Hauptstadt.

Min. Höhe: 951 m
Max. Höhe: 2751 m
Anstieg: 1800 m
Länge: 22,3 km
Zeit (mit Pausen): 8:30 h
Lage: -33.4264, -70.43488
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