Wald der Riesenfarnen

30.08.2023    6 Minuten     0 Kommentare


Sich einmal fühlen wie ein Entdecker im Jurassic Park. Wandern durch einen feuchten, mit Moosen und Flechten bewachsenen Urwald, der wie aus einer anderen Zeit wirkte. Farnen, die so groß sind wie Bäume und einem das Gefühl geben, dass hinter ihnen jeden Moment ein Dinosaurier hervorspringt. Dieses urige Erlebnis hatten wir im Bosque de los Helechos Gigantes, dem Wald der Riesenfarnen, welcher im höhergelegenen, südlichen Teil des Amboró Nationalparks liegt.

Der Amboró Nationalpark ist ein ganz besonderer Platz auf dieser Erde, denn hier treffen drei verschiedene Ökoregionen aufeinander. Das humide Amazonasbecken, die rauen Anden und das aus Trockenwäldern und Dornbuschsavannen bestehende Gran Chaco. Diese Landschaftsvielfalt bringt eine einzigartige Flora- und Faunadiversität hervor.

Auf einer Höhe zwischen 500 und 2300 m befindet sich die Höhenstufe Yunga, welche den Übergang zwischen Anden und dem Amazonasbecken darstellt. Die Landschaft ist hier vor allem durch Nebel- und Wolkenwälder geprägt. Und genau hier in Mitten dieser Wildnis wachsen die seltenen Riesenfarnen, die nur in 5 Ländern dieser Welt vorkommen: Bolivien, Kolumbien, Costa Rica, Australien und Neuseeland.

Besichtigt werden können diese Riesen am besten mit einer geführten Tour, da man sich sehr schnell im dichten Wald, mit den nur schmalen Trampelpfaden, verlaufen kann. Zudem dient dies dem Schutz der Natur. Mit einem niederländischen Pärchen und einer Französin aus unserem Hostel haben wir diese Tour gemacht. Zusammen haben wir uns für die Tagestour entschieden, die etwa 6 Stunden geht. Wir hatten sehr viel Glück, denn unser Guide ist Biologin und konnte uns somit sehr viel über die Farnen und die Wälder erzählen. Abgeholt wurden wir von ihr mit dem Jeep um 9 Uhr und fuhren dann 45 Minuten mit dem Auto Richtung Norden bis wir am Amboró Nationalpark angekommen sind.

Der Weg in den Park verläuft zunächst entlang einer sandigen Waldstraße. Bunte Schmetterlinge flogen munter an uns vorbei, während unser Guide uns anhand der uns umgebenen Bäume erklärt, dass wir uns noch in der suptropischen, aber nahe der tropischen Zone befinden. Dies ist an der Kronen- und Blattform der Bäume zu erkennen. Die Blätter der Bäume sind groß und die Kronenform ist rund wie ein Ball. Da es hier das ganze Jahr über nicht schneit, können die Bäume diese Form annehmen, anders als in schneereichen Regionen, wo die Bäume eher einem Dreieck ähneln mit einer Spitze nach oben, damit der Schnee hinuntergleiten kann und den Baum damit nicht zerstört.

Nach etwa einer halben Stunden verließen wir die Waldstraße und bogen aufgeregt in den grünen Wald hinein. Sofort kühlte sich die Temperatur ab und die Luftfeuchtigkeit stieg an. Die Baumstämme waren kaum noch zu erkennen, denn diese waren mit dicken Schichten an Moosen und Flechten bewachsen. In den Nebel- und Wolkenwälder besteht die Luft aus vielen Wassertröpfchen, die sich an den Moosen und Flechten setzen und dort kondensieren. Die so entstandenen Wassertropfen fließen am Baum hinunter und gelangen damit in das Erdreich, wo diese für die Bäume, Sträucher und Gräser zur Verfügung stehen. Ein unglaubliches Symbiose-System des Waldes.

Wir machten eine kurze Pause, betrachteten diese Naturschönheit und sprühten uns dann mit Insektenschutzmittel ein, denn den Mücken und Bremsen gierte es nur nach unserem Blut. Immer tiefer und tiefer tauchten wir in den dichter und uriger werdenden Wald hinein.

Nicht weit entfernt von uns hörten wir den Rothalsspecht fleißig an einem Baum hämmern. Der Park ist eines der artenreichsten Vogelparadiese der Erde, aber auch Schlangen, Agutis, Ameisenbären, Gürteltiere, Pumas, Jaguars und ganz besonders die einzige Bärenart in Südamerika, der Brillenbär sowie unzählige weitere Tierarten leben hier. Die Tiere sind aber sehr scheu, sodass wir keine anderen gesichtet haben.

Und dann nach einer undefinierten Zeit, denn man verliert jegliches Zeitgefühl, standen sie vor uns, still und ruhig wie sie es bereits seit hunderten, einige sogar seit tausenden Jahren machen. Die Riesenfarnen.

Der Stamm sah aus wie ein hartes Wurzelgeflecht, das hoch in den Himmel hinaufragte. Die Krone bestand aus hellgrünen bis zu einem Meter langen Wedel, die ein so schönes Farbenspiel mit den Sonnenstrahlen und dem blauen Himmel ergaben. Auf der Unterseite der Wedeln befinden sich die Sporen der Farnen.

Unser Guide erzählte uns, dass es drei Urarten und 50 neue Farnspezies in diesem Wald gibt, wobei zwei unterschiedliche Blatttypen vorliegen. Die einen, die ihre Wedeln in der Winterzeit verlieren und die anderen bei denen die Wedeln braun werden und am Stamm hängen bleiben. Die Urarten besitzen zudem Dornen.

Farnen sterben generell nicht ab. Sollten diese umfallen, dann bilden sich aus dem Stamm neue Wurzeln, die in den Boden hineinwachsen. Da Farnen keine Blüten besitzen, pflanzen sie sich vegetativ fort, dies bedeutet, dass aus den Wurzeln oder Stämmen neue Farnen wachsen. Somit können mehrere Riesenfarnen von einem Farn abstammen.

Die Farne wächst unter nassen Bedingungen pro Jahr etwa 1 cm bzw. in 100 Jahren 1 m. Die Riesenfarnen erreichen in diesem Wald Höhen bis zu 13 m, womit diese deutlich über 1000 Jahre alt sind und damit schon einiges in ihrer Daseinszeit erlebt haben. Dies ist aber kein Vergleich zu der Existenzzeit der Farnen, denn die ältesten Fossile, die von Farnen gefunden wurden, stammen aus einer Zeit von vor 400 Mio. Jahren, einer Zeit weit vor den Dinosauriern, die von 255 – 66 Mio. Jahren lebten. Zu der damaligen Zeit bildeten die Baumfarnen riesige Wälder. Sie gehören mit den Moosen, welche vor 485 Mio. Jahren die ersten Landpflanzen waren, zu den ältesten Pflanzen der Erde. Bei diesen Zeiten kommt einen das eigene Leben auf dieser Erde so klein vor, wie sich eine Ameise auf der riesigen Erde fühlen muss.

Wir gingen weiter durch den naturbelassenen und unberührten Wald bis dieser sich langsam lichtete und wir urplötzlich und überrascht an einem Aussichtspunkt standen. Ganz unbewusst sind wir die gesamte Zeit bergauf gegangen und haben nun einen wunderschönen Ausblick auf die umliegenden Berge. Wir machten hier eine lange Pause und genossen die Weitsicht. Nur wenige Minuten entfernt von hier erreichten wir erneut einen Aussichtpunkt zu einer anderen Seite. Nach nur einer kurze Fotopause gingen wir weiter. Der Weg durch den Wald war so gestaltet, dass wir in einem Kreis liefen, sodass wir an der Waldstraße nach einem unbeschreiblich schönen Erlebnis wieder rausgekommen sind.   

Min. Höhe: 2000 m
Max. Höhe: 2450 m
Anstieg: 450 m
Länge: 13,7 km
Zeit (mit Pausen): 6:20 h
Lage: -18.1132, -63.8728
Kartenansicht hier

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