Bella Vista – Schöne Aussicht
Bella Vista, die Schöne Aussicht. Ein vielversprechender Name für eine Wanderung und wir müssen sagen, dass dieser Name der Wanderung absolut gerecht wird.
Der Wanderweg wurde von unserem Tourenanbieter während der tourismusarmen Covid-Zeit angelegt. Drei Männer kämpften sich sechs Monate lang durch den dichtbewachsenen, von Menschen unbeeinflussten Dschungel in der Nähe von Samaipata. Auf Trampelpfaden von Wildschweinen bahnten sie sich einen Weg durch die Wildnis. Wildnis trifft es hier tatsächlich gut, denn die Natur ist absolut rein und unbeeinflusst. Es gibt nicht einmal neue Pflanzen- und Tierarten. Lediglich die Natur, wie sie seit Hunderten, wenn nicht sogar Tausenden von Jahren hier vorherrscht.
Der Weg ist alles andere als einfach. Für uns eines der schwersten Tagestouren. Wir starteten daher früh, genau genommen wurden wir um 6 Uhr von unserem Guide Javier mit dem Jeep abgeholt. Ihn kannten wir bereits von unserer letzten Kondor-Tour. Wir fuhren etwa eine Stunde bis wir den Startpunkt unseres Abenteuers erreichten. Als er vom Auto aus auf den Startpunkt an der Straßenseite gezeigt hatte, haben wir dort gar keinen Weg gesehen. Es ging direkt in den Dschungel hinein. Zuerst bergrunter, und zwar ziemlich steil. Der Weg war schmal, an vielen Stellen nicht Mal als Weg zu erkennen. Immer weiter bahnten wir uns in den dicht bewachsenen Wald hinein bis wir bei einer riesigen Würgefeige ankamen.
Javier erklärte uns, dass diese Parasitenpflanzen gesunde Bäume bewachsen, um deren Nährstoffe und später auch das Licht zu berauben. Dabei verliert der Baum, der als Wirt dient, immer mehr an Kraft und Energie bis dieser eines Tages abstirbt.
Wir gingen weiter in den Dschungel hinein. Neben uns tauchte ein kleiner Fluss auf, der sich langsam durch den Dschungel schlängelte. Dichte, grüne Sträucher wuchsen an dem Fluss. Ein Paradies für Schmetterlinge, die zu Tausenden wild hin und her flogen. Große und kleine Schmetterlinge in jeglichen Farben und Flügelmustern flogen von links nach rechts, von oben nach unten, einfach querfeldein. Wir konnten ein paar nahe Aufnahmen von den Methona-Schmetterlingen machen, welche sehr besondere transparente Flügel besitzen.
Ab hier ging der Weg ging bergauf. Wir kletterten über oder unter umgefallenen Baumstämmen und erkämpften uns einen Weg durch das dichte Gebüsch. Der stetig steigende Weg wurde immer steiler, sodass wir uns an den um uns stehenden Bäumen und Wurzeln hochziehen mussten. Hier wurden definitiv die Hände dreckig. Immer wieder fragten wir uns, wie man überhaupt darauf kam, hier einen sogenannten “ Weg“ lang laufen zu lassen.
Nach einigen steilen Anstiegen endete der Weg vor einer kahlen, schrägen Felswand. Wir guckten uns fragend an, wo denn der Weg ist, als Javier uns mit einem dicken Grinsen im Gesicht den Weg nach oben zeigte. Häää ging es uns allen durch den Kopf. Javier erzählte uns, dass es einen Erdrutsch gab und der Weg dadurch weggespült wurde. Wir müssen uns daher an den Lianen und Wurzeln nach oben ziehen. Hmmm OK…. Javier erklärte und zeigte uns, wie wir uns am besten festhalten können. Und dann ging es auch schon los. Nach unten gucken, ist definitiv keine gute Idee, denn es geht steil bergab. Die ersten gingen vor, langsam und hoch konzentriert. Lose Steine lösten sich, rollten und sprangen herunter. Wir nahmen Abstand, um ja keinen Stein abzubekommen. Und dann waren wir dran. Wir griffen nach den dicken Wurzeln und Lianen. Zogen erstmal daran, um zu testen, ob sie auch fest sind und vertrauten einfach unseren Vorgängern, die sich ebenfalls schon daran hochgezogen haben. Schritt für Schritt ging es hinauf. Nur nicht Wegrutschen, denn du kannst dich nicht halten. Konzentriere dich. Nicht mit den Füßen in den Wurzeln hängen bleiben. Die Gedanken übersprangen sich. Der Atmen wurde immer schneller. Das Herz klopft laut. Und dann nur noch einmal hochziehen, einen großen Schritt machen und sich in die Arme fallen und vor Erleichterung auflachen. Was für ein Weg. Was für ein Abenteuer.
Nach einer undefinierten Zeit, denn man verliert jegliches Zeitgefühl, lichtete sich urplötzlich der Wald und wir hatten einen ersten, grandiosen Ausblick auf die Berge. Wir machten unsere erste Pause und genossen dabei die herrliche Aussicht. Nur wenig später ging es dann weiter, natürlich bergauf, jetzt wo wir schon so geübt sind, denn wir möchten ja zur „Schönen Aussicht“.
Javier erzählte uns währenddessen, dass die Natur so im Einklang ist, dass sogar Pumas und Brillenbären, die einzige Bärenart in Südamerika, hier leben. Das können wir uns nur zu gut vorstellen, immerhin sind wir Kilometer weit entfernt von jeglicher Zivilisation und das Einzige, was man hier hört, sind Vögel und der Wind, naja, und unser vor Anstrengung ertönendes Gestöhne, dass wahrscheinlich jegliche Tiere um uns herum zur Flucht vertrieb.
Dann lichtete sich allmählich erneut das dichte Gestrüpp und wir standen an einem Grad mit einem herrlichen Blick auf die mit großen Bäumen bewachsenen, grünen Berge. Vor uns ging der Weg weiter den mit Gräsern bewachsenen Berg hinauf, bis wir kurze Zeit später endlich auf dem Gipfel an der „Schönen Aussicht“ standen, die uns einfach nur sprachlos machte. 360 Grad pure unberührte Natur. Mutter Erde in ihrer absoluten Vollkommenheit. Eine Schönheit, wie man sie nur selten im Leben erleben darf.
Wir machten hier, so nah an den Wolken, eine lange Pause mit einem paradiesischen Ausblick. Kurz bevor wir weitergingen, zeigte uns Javier noch den vor uns liegenden Weg. Es geht steil bergab und dann wieder hoch zu den in der Ferne aufragenden Berg. Wir kämpften uns also wieder durch den Dschungel und bewunderten Javier dafür, dass er stets den Weg fand. Für uns Laien ist es absolut nicht möglich, hier wieder raus zu finden, geschweige denn an diversen Stellen überhaupt einen Weg zu erkennen. Unterwegs konnten wir den spektakulären Vogelgesang der Krähenstirnvögel genießen, welche unter anderen in den bolivianischen Urwäldern einheimisch sind. Ihre olivgrünen Verwandten sind sogar ausschließlich in den feuchten, subtropischen Bergwäldern der östlichen Anden in Bolivien und Peru zu finden.
Nach etwa einer Stunde standen wir auf dem zweiten Gipfel. Der Wind hat ordentlich an Fahrt gewonnen, sodass wir uns tief ins Gras legen und setzen mussten, um nicht weggeblasen zu werden. Der Wind rief nach Freiheit. Ein herrliches Gefühl hier oben zu stehen. Überglücklich und überwältigt von den Gefühlen saßen wir schweigend nebeneinander und guckten in die Ferne. In Gedanken gingen wir unseren Tag, unser Abenteuer, unser über die Grenzen gehen, noch einmal durch. Stolz darüber, dass jeder in unserem Team dies geschafft hat.
Dann hieß es Abschied nehmen. Ein letztes Mal die malerische Natur genießen, in die Ferne blicken, unseren Rucksack nehmen und den Berg hinabstiegen bis wir wieder die Straße erreicht haben, wo bereits der Jeep auf uns wartete. Wir stiegen in den Jeep ein und konnten es nicht fassen, was für eine anstrengende und abwechslungsreiche Wanderung hinter uns lag. Eine Wanderung, die diesen wunderbaren Namen „Bella Vista“ eindeutig verdient hat.