Cajón del Maipo
Über Ostern sind wir zum Wandern in das andine Hochgebirgstal Cajón del Maipo gereist, welches 50 km südöstlich von Santiago liegt. Das gesamte Gebiet umfasst die Täler der Flüsse Rio Volcán, Rio Yeso und Rio Maipo. Der Rio Yeso wird in Boca del Valle auf 3000 m Höhe durch einen Erddamm aufgestaut. Der El-Yeso-Stausee dient der Trinkwasserversorgung und Bewässerung der Hauptstadtregion Santiagos. Der Cajón del Maipo, auch benannt als die grüne Oase Santiagos, ist vor allem für den Anbau von Weinreben bekannt, aber auch Gleitschirmfliegen, Rafting, Baden in vulkanischem Thermalwasser, Wandern und viele weitere Aktivitäten können in diesem wunderbaren Tal gemacht werden.
Zuerst sind wir von der Sprachschule aus mit der Metro und dem Bus zur kleinen Ortschaft San Gabriel gefahren. Ursprünglich fuhr der Bus bis nach Baños Morales, aber durch Corona wurde die Verbindung gekürzt. Um nach Lo Valdés zu kommen, welches am Fluss Rio el Volcáno liegt, blieb uns also nur das Trampen übrig. Dies hat zum Glück schnell geklappt. Ein LKW-Fahrer nahm uns mit und hat uns viel über das Tal erzählt.
Geschlafen haben wir das verlängerte Wochenende in der Berghütte Refugio Alemán de Lo Valdés des Deutschen Andenvereins, die 1932 erbaut wurde. Von hier aus haben wir drei Tagestouren in verschiedenen Teilen vom Cajón del Maipo gemacht.
Tag 1 – Cajón de Carreño
An unserem ersten Tag sind wir mit einem jungen Pärchen bis zum Thermalbad Baños Colina getrampt, um im Cajón de Carreño wandern zu gehen. Wie in vielen Gegenden Chiles befindet sich auch hier der Zustieg zum Wanderweg auf privatem Gelände und zwar genau auf dem des Thermalbads. Wir mussten daher denselben Eintritt für die Wanderung bezahlen wie die Thermalgänger. Das waren unglaubliche 26 €, die wir für eine Wanderung bezahlt haben, was uns natürlich sehr geärgert hat. Das nächste Mal würden wir bereits ein Stück oberhalb aussteigen und ab dort die Tour starten und in guter Entfernung vorbei an dem Eintrittshäuschen gehen.
Unsere Tour startete also schon mit einem gewissen Vorgeschmack, der sich hoffentlich im Laufe der Tour auflösen wird. Wir gingen über eine kleine Brücke, die uns über den Fluss Rio del Volcán führte, der nur wenige Meter flussaufwärts aus dem Zusammenfluss des Rio Colina und des Rio Carreño entsteht. Wir folgten einem Trampelpfad, der den Serpentinenweg neben uns abkürzte, bis wir den Rio Carreño kreuzten. Über eine kleine Brücke wechselten wir die Seite und gingen weiter in das enge Tal des Rio Carreño hinein. Im Schatten der 3000er und 4000er Berge folgten wir den vor uns liegenden, steinigen, aber gut ausgebauten Weg. Dabei wurde mit jedem Schritt das Tal immer breiter und damit die Sicht auf die umliegenden Berge immer besser. In einer spektakulären Farbenvielfalt von weiß über rosa, rot, grün, blau, grau bis hin zu schwarz erstrahlten die Riesen um uns herum. Von weichem Sand bis hartem Gestein war jegliche Form zu erkennen. Die Schichtung des Gesteins verlief in alle Himmelsrichtungen und war sowohl gerade als auch wellig, fast schon wulstig. Ein Überbleibsel der enormen Kräfte, die vor Millionen von Jahren hier gewirkt haben.
Nach einer Pause am Fluss, bei dem wir unseren Wasservorrat noch einmal aufgetankt haben, ging es weiter auf dem pflanzenlosen Schotterweg bergauf. Nicht einmal kleine Sträucher oder Gräser waren an diesem steinigen Berghang zu sehen. So schleppten wir uns unter der gnadenlosen Sonne immer weiter höher bis wir nach insgesamt 4 Stunden die Schulter des Cerro Morro Negro erreichten, von wo wir einen atemberaubenden Panoramablick auf die Andenhauptkette hatten. Direkt vor uns ragte der schwarze Berg Andrade auf, hinter dessen noch höher der 5856 m hohe mit Gletscher behangene aktive Stratovulkan San José thronte, der das letzte Mal 1960 ausbrach. Dieser liegt direkt an der argentinischen Grenze und signalisiert das Ende des Cajón del Maipo. Die Natur änderte sich zu dieser Seite des Berghanges schlagartig. Kleine gelbblühende Dornensträucher dominierten jetzt den Boden. Wir machten hier eine lange Mittagspause, während wir den herrlichen Ausblick genossen.
Da es schon so spät war und wir noch im Hellen zurück trampen wollten, entschieden wir uns für den Rückweg. Dabei überlegten wir uns zunächst über das vor uns liegende Tal abzusteigen. Dafür gab es aber keine Wanderwege auf der Karte. Mit unserem Fernglas haben wir kleine Trampelpfade gesehen, wahrscheinlich aber von Pferden, die in dieser Höhe auf den Berghängen grasten. Ob die Pfade uns bis zum Fluss runterbringen würden, war von hier oben nicht zu erkennen, da noch ein kleiner Wall dazwischen lag, der uns die Sicht bis nach ganz unten versperrte. Schlussendlich entschlossen wir uns also dazu, den gleichen Weg wieder zurückzugehen.
Wir machten auf dem Rückweg noch einmal eine Pause am Fluss, um unsere Wasserflaschen aufzufüllen, denn es gab kein Trinkwasser aus der Leitung in der Hütte und das zu kaufen war leider für ein langes Wochenende doch sehr teuer. Auf dem Weg dorthin haben wir ein komplett erhaltenes Fossil gefunden. Viele Stücke hatten wir bereits auf dem Weg gesichtet, aber keines so schön wie dieses.
Gerade noch vor dem Sonnenuntergang erreichten wir wieder das Thermalwasser, an dessen Eingang eine riesige Autoschlange war. Wir überlegten uns ebenfalls ins heiße mineralische Vulkanwasser zu gehen, wenn wir schon dafür bezahlt haben, aber es war uns einfach zu voll. So trampten wir wieder zu unserer Unterkunft zurück, wo wir Antonia und Theo, ein ursprünglich schweizerisches Pärchen, welches mittlerweile seit 20 Jahren in Santiago lebt, kennengelernt haben, mit denen wir den Abend sehr unterhaltsam ausklingen ließen.
Tag 2 – Valle de las Arenas
Am nächsten Morgen nahmen uns Antonia und Theo bis zum Parkplatz El Cabrerío mit ihrem Auto mit. Wir starteten zusammen die Wanderung. Während die beiden den steilen Weg rechts von uns bergauf zum Refugio Plantat nahmen, entschieden wir uns dem Weg weiter zu folgen. So ganz wussten wir noch nicht, welche Tour wir heute wandern wollten, daher gingen wir einfach weiter ins Tal hinein, um Ausschau nach einem guten Einstieg für eine Wanderung auf die umliegenden Berge zu halten. Am Ende des Tales gibt es eine Lagune und einen Gletscher, Laguna y Glaciar del Morado. Der Gletscher soll sich mittlerweile aber schon recht weit zurückgezogen haben. Da gerade das lange Osterwochenende ist und die Lagune sehr beliebt ist, wird es sicherlich sehr voll werden, weshalb wir uns dafür entschieden haben diesen Ort nicht zu besichtigen.
Nach etwa einer Stunde haben wir dann einen Weg gefunden, der hoch zu einem kleinen Pass geht zwischen den Bergen Punta Ventanas und Mirador del Rubillas. Der Weg war steil, sogar sehr steil, sodass Katja eigentlich nicht hochgehen wollte, aber nach einer kleinen Überredungsrunde: „dass man ja jederzeit wieder umdrehen kann“, seitens Attila ging es also kurze Zeit später los.
Neben uns war eine riesige, kerzengerade Steinwand, die sich aus dem Boden in den Himmel stemmte. Einfach nur unglaublich und majestätisch! Der Boden war trocken und durch die kleinen Steine recht rutschig, was das Wandern erschwerte. Dazu kamen die gelbblühenden Büsche um uns herum, die übersät mit kleinen Dornen waren und uns beim Vorbeigehen nur zu gern pieksten. Wir gingen dem trotzend weiter bergauf immer entlang eines ausgetrockneten Flussbettes. Durch den steilen Anstieg gewannen wir schnell an Höhe bis wir an einem Punkt ankamen, wo der Weg plötzlich in einem Geröllhaufen endete. Attila ging noch weiter, aber meinte, dass es ein ziemlich schlechtes Gelände ist. Wir überlegten lange hin und her, ob wir weitergehen oder umkehren sollten. Wir waren etwa auf halber Höhe. Der Pass ist also nicht mehr weit. Katja entschied sich dafür in das ausgetrocknete Flussbett zu steigen und von dort den Weg weiter fortzusetzen. Wie sich schnell herausstellte, war es eher eine Kletter- als eine Wandersession. Nach einigen kleinen ausgetrockneten Wasserfällen kletterte Katja wieder aus dem Flussbett heraus. Attila hatte mittlerweile den Weg wieder gefunden und wartet in einiger Entfernung oberhalb auf Katja. Wir machten zusammen eine Pause und entdeckten dabei, dass ein riesiger Felsen aus der steilen Steinwand ausgebrochen war und auf unseren eigentlich Wanderweg zerbarstete. Von hier aus sahen wir auch, dass ein neuer Weg auf der anderen Flussseite existierte, der genau um diesen Geröllhaufen vorbei ging. Da hätten wir uns also die ganze Mühe sparen können. Aber naja, so ist das manchmal. Von oben betrachtet, sieht die Welt doch gleich ganz anders aus. Immerhin wissen wir jetzt den Weg runter.
Wir gingen weiter bis wir den Pass erreicht hatten. Von hier aus kletterten wir noch eine kleine Steinwand hinauf, von der wir ein spektakuläres 360° Bergpanorama auf die umliegenden Berge und Täler hatten. Auch den Vulkan San Jose, den wir bereits gestern gesehen haben, sahen wir heute aus einer anderen Richtung. Mit unserem Fernglas konnten wir uns seine in der Sonne glänzenden Gletscher aus der Nähe anschauen. In der Unterkunft haben wir ein Foto von dem Vulkan vor 100 Jahren gesehen, der zu der damaligen Zeit noch mit riesigen Gletschern überzogen war. Heute sind leider nur noch kleine, mit bereits großen Spalten überzogene Gletscher zu sehen. In wenigen Jahren werden auch diese leider nicht mehr vorhanden sein.
Nach zwei Äpfeln und einer Packung Nüsse gingen wir langsam wieder den Berg hinab. Dieses Mal nahmen wir aber den richtigen Weg um den Geröllhaufen herum, durchquerten das Flussbett und bauten Steinmännchen für die nächsten Wanderer, um den neuen Weg zu markieren. Zudem versperrten wir den Weg, den Attila nach oben genommen hatte, mit weiteren Steinen. So wird hoffentlich der nächste Wanderer direkt den neuen Weg finden.
Unten wieder angekommen, füllten wir erneut unseren Wasservorrat am Fluss auf und gingen zurück zur Straße. Von dort aus nahm uns ein junges Pärchen mit dem Auto mit. In der Unterkunft angekommen, trafen wir dann wieder auf Antonia und Theo. Wir tauschten unsere heutigen Wandertouren und Erfahrungen bei einem leckeren gemeinsamen Abendessen aus.
Tag 3 – Valle Lo Valdés
Heute ist unser letzter Tag im Cajon del Maipo. Daher entschieden wir uns für eine Wanderung direkt ab der Hütte. Wir haben daher die Hüttenwartin nach einer Route gefragt und dabei erfahren, dass am 06.02.1965 in den Bergen hinter unserer Hütte ein Flugzeug abgestürzt ist. Dieses flog auf einer nicht genehmigten Flugroute von Santiago nach Buenos Aires und stürzte gegen die Felswand, die den Cerro Catedral mit dem Cerro Corona verbindet. Alle 87 Passagiere sind direkt bei dem Absturz gestorben. Über einen Wanderweg aus kann man direkt ab der Hütte zu dieser Unglücksstelle wandern, wo ein Denkmal aufgebaut wurde. Da dies die einzige Route hier war, entschieden wir uns dazu dorthin zu wandern.
Von der Hütte aus sahen wir bereits den Weg, der zunächst steil bergauf ging und von dort aus in das Tal hinein verlief. Der Weg war, wie auch schon die letzten Tage, extrem trocken, steinig und rutschig. Um uns herum waren die uns bereits bekannten gelbblühenden Dornensträucher zu sehen. Nach etwa 200 Höhenmeter erreichten wir den Punkt, wo wir endlich in das riesige Tal blicken konnten, welches der Fluss Estero Lo Valdés tief in die Berge gegruben hat. Nur wenige Höhenmeter über uns befand sich ein kleiner Vorgipfel, den wir bereits von der Hütte aus gesehen haben. Wir entschieden uns dafür diesen nicht zu besteigen, sondern direkt weiter zu gehen, da der Weg noch sehr lang sein wird. Wir folgten der Traverse und kamen an einem riesigen, tiefen Krater an. Wir schauten ins Tal und sahen mehrere dieser Krater. Starke Erdrutsche haben hier scheinbar den Boden abgetragen. Unser Weg verlief unterhalb des Kraters und über dem darunter liegenden noch komplett unerodierten Berghang. Wir fragten uns, wo denn das Geröll des Kraters hin erodiert ist, wenn der Hang unterhalb noch komplett in Ordnung ist? Wir schlussfolgerten, dass es nur unterirdisch erodiert sein kann.
Während wir der Traverse folgten, wurde der Hang steiler und der Weg zeitgleich schmaler und steiniger bis dieser sich in zwei Wege aufteilte. Wir sahen nur die ersten Meter beider Wege. Einer verlief weiterhin travers und der andere ging steil bergauf und dann einige Höhenmeter oberhalb ebenfalls travers weiter. Beide Wege sahen für uns schwierig aus. Attila probierte zunächst den ersten Weg aus, bis er bereits nach 10 m an einer Stelle nicht weitergehen konnte. Katja drehte daher um, damit sie aus der Ferne einen besseren Eindruck vom Weg bekam. Mit dem Fernglas sah sie dann, dass der Weg ferner im Tal ebenfalls durch einen Erdrutsch zerstört wurde und daher bereits jetzt ein Weitergehen keinen Sinn ergibt. Aus diesem Grund brachen wir an dieser Stelle die Wanderung ab und traten den Rückweg an.
Wir entschlossen uns dazu auf den kleinen Vorgipfel zu steigen, um noch ein letztes Mal einen herrlichen Ausblick auf das farbenfrohe Cajón del Maipo zu bekommen. Hier genossen wir den grandiosen Fernblick auf die Andenhauptkette. Nach etwa einer Stunde gingen wir dann wieder zur Hütte zurück. Da es uns hier so gut gefiel, haben wir noch unsere Spanisch Hausaufgaben gemacht, die Sonne und die Ruhe genossen, bevor es dann am späten Nachmittag wieder mittels trampen und Metro zurück nach Santiago ging.