Die Todesstraße

03.11.2023    11 Minuten     0 Kommentare


Einst unter den Namen Camino a Los Yungas bekannt, wurde diese Straße nicht nur zu einer, sondern zu DER gefährlichsten Straßen der Welt umbenannt. Mit der Zeit bekam sie sogar den mörderischen Beinamen: Camino de la Muerte, die Todesstraße. Du fragst dich wieso?

Zunächst einmal befinden wir uns im Westen Boliviens, nur 100 km entfernt von der peruanischen Grenze. Hier trifft das Hochland der Anden mit über 4000 m auf das tropische Tiefland, dem Amazonas-Regenwald, mit ca. 500 m. Die Übergangszone dieser beiden Regionen wird als Yungas bezeichnet. Um das Tiefland mit dem Hochland zu verbinden wurde während des Chacokriegs, in den Jahren 1931 bis 1936, eine 80 km lange Schotterstraße zwischen dem kleinen Ort Coroico auf 1200 m und dem Regierungssitz La Paz auf 3625 m durch den Yungas gebaut.

Neben regionalen Arbeiter wurden auch paraguayischen Kriegsgefangenen für den Bau herangezogen. Der Bau war äußerst schwierig, denn sie mussten sich durch dichte, bewachsene Urwälder und steilen Bergen einen Weg bahnen. Auch das Wetter mit zum Teil starken Regengüssen führte zu Erosionen, die ganze Berghänge abtrugen. So starben bereits beim Bau der Straße Hunderte von Menschen, aufgrund der extrem schwierigen und schlechten Bedingungen. Dies war aber nicht der Grund für die Namensgebung.

Den Titel „die gefährlichste Straße der Welt“ hat die Yungas-Straße 1995 von der Banco Interamericano de Desarrollo, der Interamerikanische Entwicklungsbank, bekommen, da schätzungsweise jährlich 200 bis 300 Menschen auf dieser Straße starben. Nur was genau macht diese Straße so gefährlich, dass so viele Menschen jedes Jahr hier ihr Leben verlieren?

Zum einen wurde die Straße entlang der Berghänge gebaut und schlängelt sich somit in engen Serpentinen von einem Bergrücken zum nächsten. Die Straße verläuft dabei stets an einem steilen Abgrund entlang, der mehrere Hundert Meter tief ist. Was man von hier oben sieht? Nur den Dschungel. Die Straße ist nicht vollständig mit Leitplanken abgesichert, sondern es tauchen hier und da mal vereinzelt welche auf.

Ein weiterer Aspekt ist, dass die Straße sehr schmal gebaut wurde. Stellenweise sind Abschnitte gerade mal 3 m breit, wodurch nur ein Fahrzeug an dieser Stelle lang fahren kann. Trotz dessen wurde sie nicht nur für Autos, sondern auch für Busse und LKWs freigegeben, sodass auch der normale Warenverkehr hier langlief. Wenn zwei Fahrzeuge sich gegenüberstanden, mussten sie selber regeln, wie sie aneinander vorbeikamen. Gefährliche Manöver kosteten vielen Menschen das Leben.

Es wurde ein Linksfahrgebot eingeführt. Die Fahrzeuge, die von La Paz aus hinabfahren nach Coroico müssen auf der linken Seite parallel zum schwindelerregenden Abgrund fahren und die entgegenkommenden hinauffahrenden Autos an der Bergseite, die zudem die Vorfahrt bekamen. Grund war der steile Anstieg, denn es werden auf den 80 km satte 3400 Höhenmeter überwunden, denn die höchste Stelle dieser Straße ist der 4650 m hohe Pass La Cumbre.

Durch die Serpentinen wird es schwierig die Straße kontinuierlich im Blick zu behalten. Dies ist vor allem für LKWs und Busse extrem mühsam. Ein zurück gibt es generell auf dieser Straße nicht. Es gibt weder Wendemöglichkeiten, noch können alle Fahrzeuge auf einer Serpentinenstraße über viele Kilometer zurückfahren. Wenn du dir also überlegst diese Straße zu fahren, dann gibt es nur eine Richtung. Wir haben sogar davon gehört, dass an einigen schwierigen Straßenabschnitten ehrenamtliche Menschen sich engagierten, um den Menschen zu helfen. Dies waren vorwiegend Angehörige von Verunglückten, die sich berufen sahen anderen das Leid zu ersparen.

Ein weiterer Punkt, weswegen die Straße so gefährlich ist, sind die Wetterbedingungen. Bei Regen fließen an jeder Ecke Wasserfälle die steilen Berghänge hinab auf die Straße. Sowohl die Sicht wird dadurch beeinträchtigt, aber auch die Straßenverhältnisse werden katastrophal schlammig und rutschig. Im schlimmsten Fall erodiert sogar die Straße, sodass ganze LKWs und Auto hinab gerutscht sind. So haben wir von einem LKW-Fahrer erfahren, der auf der Straße nachts mit seinem LKW stehen geblieben ist, weil es so stark geregnet hat, dass er nichts gesehen hat und damit kein Risiko eingehen wollte. Mitten in der Nacht ist der Abhang unter ihm weggerutscht und er ist mit dem LKW hinab in das tiefe Tal gestürzt und gestorben.

Aber auch genau das Gegenteil führte zu viele Todesfälle. Bei Trockenzeit ist die Schotterstraße so staubig, dass man nur im dreckigen Dunst der vorausfahrenden Autos fährt. So wurden Kurven oder entgegenkommende Autos übersehen, womit es zum Zusammenstoß oder zum Ausweichmanöver etc. kam. Auch dort haben wir von der Geschichte erfahren, dass ein Bus auf ein LKW gefahren ist und der Busfahrer komplett aufgespießt wurde. Niemand vor Ort konnte dem Busfahrer helfen, welcher schlussendlich im Bus verblutet ist. Grund dafür ist, dass es auf der gesamten Strecke kein Handyempfang gibt. Demzufolge können keine Rettungsdienste wie Krankenwagen oder Feuerwehr gerufen werden.

Sollte ein Fahrzeug in den Abgrund gestürzt sein, dann wird dieses Fahrzeug dort liegen gelassen, auch wenn es Überlebende gibt. Die Menschen fahren an den abgestürzten Autos vorbei, denn sollten sie Hilfe leisten, werden sie selber im Abgrund landen, da es zu kompliziert ist, an den Menschen heranzukommen. Dies wissen alle Menschen und alle halten sich daran. Wir selbst haben einen LKW gesehen, der vor ein paar Jahren in den Abgrund gestürzt ist. Der Busfahrer musste an einem erodierten Straßenabschnitt vorbeifahren. Ein Zurück gibt es auf dieser Serpentinenstraße nicht. Die Mitfahrenden sind aus Sicherheitsgründen ausgestiegen. Der Busfahrer hat es aber leider nicht geschafft und ist den Abhang hinuntergestürzt und tödlich verunglückt. Es gibt sogar ein Video dazu auf YouTube. Aber Vorsicht. Triggerwarnung! Schätzungen gehen davon aus das etwa 25 Fahrzeuge pro Jahr in die Schlucht gestürzt sind. Das würde statistisch bedeuten, dass alle zwei Wochen ein Fahrzeug verunglückt ist. 

Uns wurden viele Geschichten erzählt und es sind viele Geschichten im Internet zu finden, aber zum Glück ist das alles Vergangenheit. Im Jahr 2007 wurde eine neue, moderne, zweispurige Straße mit 54 Brücken für Autos und LKWs eröffnet, wodurch ein befahren der Todesstraße nicht mehr notwendig ist. Seitdem wird die Straße nur noch von den Anwohnern und Touristen mit ihren Mountainbikes befahren. Die Anzahl der Todesfälle ging rapide bergab, ist aber leider nicht bei 0, denn heute verunglücken vor allem Mountainbiker auf dieser Tour. Erst eine Woche bevor wir diese Radtour gestartet haben, ist ein Tourist tödlich mit dem Rad den Abhang hinuntergestürzt. Man muss daher auch heute noch äußerst vorsichtig sein.

Die neue Umgehungsstraße hat nicht nur die Anzahl der Unfälle reduziert, sondern auch beigetragen, dass die Flora und Fauna in der Umgebung durchatmen kann. Die Yungas-Straße befindet sich in einer einzigartigen Klimazone, was für hunderte von Säugetieren- und Vogelarten Lebensraum bietet. Wie in diesem Bericht von Spiegel erklärt wird, sind sehr viele Tiere zurückgekehrt, nachdem der Verkehr umgeleitet wurde: „Auf der Straße des Todes blüht heute das Leben.“

Die Mountainbike-Tour

Zunächst einmal ist es ganz wichtig sich einen Tourenanbieter auszusuchen, der einen ein gutes Fahrrad mit funktionierenden Bremsen leiht. Dies sollte man vor der Abfahrt akribisch kontrollieren. Zum Fahrrad bekommt man zusätzlich noch einen Helm, eine Jacke, eine Hose sowie Handschuhe und Schützer für die Ellenbogen und Knie. Unser Helm hatte sogar eine GoPro Halterung, sodass wir die Abfahrt filmen konnten. Dies muss man aber separat vorher anfragen. Ein Begleitfahrzeug ist die gesamte Abfahrt dabei, sollte man, aus welchem Grund auch immer, nicht weiterfahren können, so wird das Fahrrad aufgeladen und du kannst im Begleitfahrzeug die Tour beenden.

Der Treffpunkt für die Tour ist beim Tourenanbieter. Mit dem Begleitfahrzeug werden die Gruppe und die Fahrräder bis zur höchsten Stelle, zum Pass La Cumbre, gefahren, wo die Tour starten wird. Ab hier wird die Radtour 64 km und 3400 m hinunter gehen.

Am La Cumbre hast du bei gutem Wetter eine herrliche Sicht auf La Paz und auf die Yungas-Region. Die meiste Zeit des Jahres ist aber der La Cumbre zu dieser Uhrzeit in dicken Wolken verhangen. So war es auch bei uns. Nebel und leichter Nieselregen. Nicht die besten Voraussetzungen, aber es war gutes Wetter angesagt. Das unangenehmste waren eigentlich die Kälte und der Wind. Man darf nicht vergessen, wir befinden uns auf 4650 m.

Wir bekamen unsere Kleidung und unser Fahrrad zu gewissen und sollten diese als erstes kontrollieren und richtig einstellen. Anders als bei normalen Fahrradtouren wurde der Sattel extra tiefer gestellt, damit man zur Not, sollten die Bremsen versagen, mit den Füßen stoppen können. Kurz vor der Abfahrt rief unser Guide uns zusammen und erklärte uns, dass wir positiv und ohne Angst abfahren sollen. Jeder soll in seinem eigenen Tempo fahren und sich nicht von den anderen genötigt fühlen. Will man langsam fahren, dann soll man langsam fahren. Wichtig ist, dass man unten ankommt und Spaß hatte.

Tja und dann ging es auch schon los. Die ersten ca. 30 km fährt man auf der neuen asphaltierten Straße, die aber ebenfalls in Serpentinen hinab verläuft. Man bekommt ordentlich kalten Fahrtwind ab, wodurch es ratsam ist sich warm anzuziehen. Wir hatten sogar einen Schal an, den wir bis über die Nase zogen. Wir waren so schnell unterwegs, dass wir LKWs überholt haben, da diese bei der steilen Abfahrt mit den engen Kurven nur sehr langsam fuhren.

Vor einem Tunnel haben wir den ersten Stopp gemacht, denn diesen werden wir als Fahrradfahrer nicht befahren. Wir gingen daher mit dem Fahrrad um den Tunnel herum und stiegen danach wieder auf das Fahrrad hinauf und rollten dann nur paar hundert Meter bis zu einer kleinen Ortschaft, die aus einer Handvoll Häuser bestand. Dort sammelte uns das Begleitfahrzeug ein, denn ab hier beginnt eine längere Passage, die nur bergauf geht. Das Begleitfahrzeug brachte uns bis zur Todesstraße, wo wir zunächst eine Frühstückpause machten. Wir bekamen Sandwichs, einen Apfel und einen Müsliriegel mit einer Flasche Wasser.

Gut gestärkt wurde es nun ernst. Die Wolken hingen leider immer noch tief, aber dies änderte sich nach den ersten paar Kilometer, womit wir einen wahnsinnigen Blick auf den grünen Yungas hatten. An die Schotterstraße mit seinen größeren Steinen musste sich der Po und die Handgelenke aber erstmal gewöhnen.

Wir machten etwa alle halbe Stunde eine Pause, in der uns der Guide Geschichten erzählte, besondere Stellen zeigte oder Fotos von uns machte. Die Pausen taten dann wirklich gut, denn man rollt 64 km einfach nur hinunter und das Einzige was man die gesamte Zeit über macht, ist die Bremse zu ziehen. Das geht nach einer gewissen Zeit wirklich auf die Hände. Einen längeren Zwischenstopp machten wir in der Mitte der Strecke, wo man sich kühle Getränke oder ein Eis kaufen konnte. Wer Lust hatte konnte dort auch mit der Zippline fahren.

Die Fahrt über musste man sich extrem konzentrieren, da die Schotterstraße nicht die besten Spurenbedingungen hatte. Man musste größeren Steinen oder Wasserrillen ausweichen, die Kurven im richtigen Tempo nehmen, stets links fahren (nicht vergessen, sich immer wieder daran erinnern), dabei aber nicht zu nah am Abgrund fahren etc. Es waren schon viele Dinge auf die man sich konzentrieren musste, wodurch man witzigerweise nach der Tour auch geistig müde war.

Je tiefer wir fuhren, desto besser wurde das Wetter und desto wärmer wurde es, sodass wir uns immer weiter auszogen und schlussendlich nur in einem dünnen T-Shirt (unter der Fahrradjacke) fuhren. Der Blick auf die Region wurde ebenfalls besser, sodass wir einen traumhaft schönen Blick auf den Yungas hatten. Diese weite Sicht und dazu die unglaublich schöne Natur, die uns umgab, waren für mich persönlich das absolute Highlight.

Und was die Abfahrt noch besonders machte, war, dass man den kompletten Wandel vom steinigen, grauen und pflanzenlosen Hochland bis zum grünen, bewachsenen Yungas und Tiefland durchfahren ist. In einem so kurzen Zeitraum eine so unterschiedliche Natur mit dem Fahrrad zu sehen, diese Möglichkeit hat man nur an wenigen Stellen dieser Erde.

Die Fahrt endete nach knapp 4 Stunden in Yolosa, wo wir die Kleidung und das Fahrrad wieder abgaben. Ein junger Mann erwartete uns bereits mit kühlen Erfrischungsgetränken und sogar mit kühlem Bier. Da haben aber bei Attila die Ohren Besuch bekommen.

Bevor es zurück nach La Paz ging, fuhren wir mit dem Begleitfahrzeug nach Coroico, wo wir in einer Hotelanlage mit allen anderen Gruppen zu Mittag aßen. Es gab ein riesiges, unfassbar gutes Buffett. Endlich mal etwas Leckeres zu essen. Während alle anderen die Zeit im Pool verbrachten, gingen wir zum Buffett und nochmal und nochmal und nochmal. Kugelrund haben wir uns gefuttert. Und dazu kühles frisches Bier getrunken. Ein wunderbarer Abschluss von einem wunderbaren Tag.

Max. Höhe: 4640 m
Min. Höhe: 1200 m
Abfahrt: 3400 m
Länge: 61,4 km
Zeit (mit Pausen): 3:50 h
Lage: -16.2631, -67.7914
Kartenansicht hier

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