Serranías Almillanis

27.10.2023    10 Minuten     0 Kommentare


Der Berg Serranías Almillanis liegt etwa 45 Minuten mit dem Auto nördlich von La Paz. Da wir kein Auto haben, sind wir mit den Öffentlichen Verkehrsmittel dort hingefahren. Dazu mussten wir zunächst von unserer Unterkunft aus mit zwei Teleféricos bis zur Station Villarroel. Während der Fahrt mit der Seilbahn hatten wir einen wunderschönen Blick auf die im Morgennebel liegende Stadt La Paz.

An der Haltestelle der Teleférico nahmen wir ein Collecitivo zum Busterminal Minasa. Kaum aus dem Collectivo ausgestiegen, riefen bereits die ersten Frauen und Männer lauthals „La Cumbre, La Cumbre“. Perfekt für uns, denn genau dort soll unsere Wanderung starten. Ein Mann kam direkt auf uns zu und meinte, dass genau 3 Plätze in seinem Trufi frei sind und wir daher sofort starten könnten. Da Attila am gestrigen Abend sein Knie angestoßen hat, konnte er heute leider die Wanderung nicht mitmachen, sodass ich mit Nora und Phillip, dem Pärchen, welches wir vor 3 Tagen im Valle de las Ánimas kennengelernt haben, alleine wandern gegangen bin. Wir gingen mit dem Mann mit, zahlten unsere Tickets, stiegen in das Trufi ein, begrüßten alle Mitreisenden freundlich und schon ging es los. Na das läuft ja heute wie am Schnürchen. Wie überall in Bolivien wird nämlich erst losgefahren, wenn alle Plätze besetzt sind und das kann manchmal ziemlich lange dauern. 

Während der Fahrt haben wir nicht viel von der Umgebung gesehen, denn auch hier in den Bergen hingen die Wolken tief, sodass alles um uns herum weiß war. Uns wunderte es nur, dass der Trufi-Fahrer überhaupt etwas sehen konnte, aber wahrscheinlich hat er die Straße eher erahnt als wirklich gesehen. Aber es ging ja alles gut und so konnten wir am knapp 4700 m hohen Gebirgspass „La Cumbre“ aussteigen. Dieser Gebirgspass ist die höchste Erhebung zwischen La Paz und der Yunga-Region, also der Übergang zwischen den Bergen der Anden und dem Amazonas. La Cumbre wird täglich von vielen Touristen besucht, denn von hier aus hat man bei gutem Wetter einen wunderbaren Blick in beide Richtungen, so wurde es uns jedenfalls gesagt. Aber auch die Lagune Estrellani ist ein Besuchermagnet, die sich aber leider bei uns in den Wolken versteckt hielt. Wer es noch etwas aufregender mag, der startet ab hier seine Abfahrt mit dem Rad über die Death Road, was wir wirklich sehr empfehlen können.

Nachdem wir aus dem Trufi ausgestiegen sind, mussten wir uns erst einmal mit der Karte orientieren, da wir in den weißen Wolken standen und folglich nichts gesehen haben. Wir standen also zu dritt über dem Handy gebeugt da und blickten abwechselnd auf die Karte, dann nach oben und wieder zurück auf die Karte bis wir schließlich entschieden haben einfach erstmal in die Richtung des Weges zu gehen. Wir entdeckten nach einigen Minuten dann den Weg und folgten diesem, der bald stetig hinauf ging. Während wir die ersten Höhenmeter in Angriff nahmen, kämpfte sich die Sonne allmählich durch die dicke Wolkenwand. Mit der Zeit wurden die Wolken immer feiner und wir sahen langsam die ersten Gebirgsumrisse sowie nun auch die Lagune Estrellani.

Da Nora und Phillip erst vor 4 Tagen in La Paz angekommen sind, wanderten wir langsam den Berg hinauf, denn sie müssen sich erst einmal an die Höhe gewöhnen. Damit ihnen das hier vor Ort leichter fällt und sie nicht so viel Zeit für die Akklimatisierung benötigen, haben sie im Vorfeld ihres 3-wöchigen Urlaubs ein Höhenanpassungstraining zu Hause gemacht. Dazu haben sie sich einen Höhengenerator ausgeliehen, mit dem sie ihre Sporteinheiten durchgeführt haben. Der Höhengenerator filtert während des Trainings den Sauerstoff aus der Umgebungsluft. Je nachdem welche Höhe nachgebildet werden soll, wird der Sauerstoffgehalt in der Umgebungsluft reduziert. Dies ist bis zu einer Höhe von 6500 m möglich. Über eine Maske atmet man während des Trainings also eine sauerstoffreduzierte Luft ein. Das Training haben sie ein paar Wochen vor dem Urlaub begonnen und ich muss sagen, dass es super funktioniert hat, denn bereits nach 4 Tagen in Bolivien befinden wir uns aktuell auf über 5000 m Höhe und den beiden geht es gut.

Wie lange wir schlussendlich für die Akklimatisierung gebraucht haben, können wir so genau gar nicht sagen, denn als wir La Paz Mitte September erreichten, bekam Attila Corona, was bei ihm stark ausgebrochen ist und circa 4 Wochen gedauert hat. Ich vermute mal, dass ich ebenfalls Corona hatte, da auch ich Atemprobleme hatte, aber deutlich weniger als er. Da ich aber keinen Test gemacht habe, wissen wir es nicht. Vor zwei Wochen begannen wir mit den ersten Wanderungen im Cañon de Palca und im Valle de Ánimas. Vor zwei Tagen wanderten wir auf den knapp 5400 m hohen Chacaltaya, wo Attila auch noch etwas mit der sauerstoffreduzierten Luft zu kämpfen hatte und daher nur langsam bergauf ging. Die Kopfschmerzen blieben nach der Wanderung aber komplett aus, sodass wir sagen können, dass wir an die Höhe angepasst sind.

Wir folgten dem Weg weiter bergauf bis wir nach einiger Zeit den Bergkamm erreichten, wo wir einen 360° Panoramablick auf die berühmten, schneebedeckten Berggipfel: Huayna Potosí (6088 m), Illimani (6439 m), Charquini (5392 m) und viele andere, hatten. Nora und Phillip erzählten mir, dass sie planen in den nächsten Tagen den Huayna Potosí zu besteigen und fragten, ob wir uns ihnen anschließen wollen. Oft haben Attila und ich darüber nachgedacht, haben aber den Gedanken, aufgrund der Corona-Erkrankung, immer wieder verworfen. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich also noch nicht, dass wir in nicht mal zwei Wochen auf dem Gipfel des 6000er Berges stehen werden.

Die Natur hier auf über 5000 Höhenmeter war recht kahl ohne jegliche Bäume und Sträucher. Lediglich gelbe Gräser zierten den ansonsten rotbraunen Boden. Wir entschieden uns dafür weiterzugehen. Der Weg verlief über den bergauf und bergab gehenden Bergkamm. Zum Glück waren die An- und Abstiege recht flach, sodass wir entspannt die Tour mit viel Gequatsche genießen konnten. Zur Mittagszeit machten wir nur eine kurze Pause, denn je später es wurde, desto windiger wurde es und desto mehr zogen sich die Wolken wieder zusammen, bis sie dunkelgrau waren und Regen voraussagten.

Nach etwa einer Stunde erreichten wir das Ende des Bergkamms, der mit dunkelgrauen bis schwarzen Gesteinsplatten versehen war. Gegenüber von uns ragte unser heutiges Tagesziel, der Serranías Almillanis, mit einer Höhe von 5108 m steil hinauf. Um den Gipfel besteigen zu können, müssen wir jedoch zunächst hinab gehen zum niedriger gelegenen Bergsattel. Erst von dort aus können wir den aus festem Gestein bestehenden Serranías Almillanis besteigen. Ein Weg war von hier aus jedoch nicht zu sehen, sodass wir davon ausgingen, dass wir an einigen Stellen über die Steine klettern müssen. Wir machten hier eine Pause und beobachteten das Wetter, das leider immer schlechter wurde, und überlegten das weitere Vorgehen.  

Da es sehr nach Regen aussah und man nie weiß, wie stark dieser in den Bergen werden wird, und zudem der Anstieg zum Serranías Almillanis sehr steil war mit Steinen, die bei Regen rutschig und damit gefährlich werden können, entschlossen wir uns dazu die Tour an dieser Stelle aus Sicherheitsgründen abzubrechen und hinunter ins Tal zur Autostraße zu gehen. Es ist immer wieder schwierig solche Entscheidungen zu treffen, denn man hat ein Ziel vor Augen und möchte dieses auch erreichen. Nur ist das in den Bergen nicht nur von meinem bzw. von unserem Mindset abhängig, sondern vor allem vom Wetter, welches im Endeffekt den Ton angibt. Da muss man manchmal einfach in den sauren Apfel beißen und eine Tour unbeendet lassen. Und wie sich später herausstellte, war es genau die richtige Entscheidung.

Wir hielten also Ausschau nach einem Weg vom Bergkamm hinab zum Bergsattel. Nur konnten wir keinen finden. Die Karte zeigte uns einen Weg an, der steil hinab über die Flanke, welche nur aus kleinen, losen Gesteinsplatten besteht, und dann direkt bis zum Bergsattel verlief. Ich konnte meinen Augen nicht trauen, denn ich bin im Leben noch nicht so einen steilen Hang ohne einen Weg aus Serpentinen hinab gegangen. Nora und Phillip hingegen, die das Skifahren lieben, fanden den Abhang alles andere als schwierig. Freudig rannten sie auf den Abhang zu und Schwupps waren sie auch schon auf dem direkten Weg nach unten. Ich ging ihnen zum Abhang nach und wollte kaum glauben, wie schnell sie indessen bis zur Hälfte des Weges hinunter geschliddert waren. Lachend über beide Ohren riefen sie mir glücklich zu, dass ich keine Angst haben brauch und einfach los gehen soll. Sie zeigten mir ihre Methode und mit dem nächsten Wimperschlag waren sie auch schon unten. Ich war einfach nur sprachlos darüber wie schnell sie den Hang hinab gerannt sind. Und was soll ich sagen? Mir blieb ja nichts anderes übrig als ihnen zu folgen, denn hochkommen werden sie mit Sicherheit nicht noch einmal. Ich nahm also all meinen Mut zusammen und ging langsam los. Meine Füße sackten tief zwischen den unzähligen Gesteinsplatten ein. Ich tat es ihnen gleich und ließ mich mit jedem Schritt ein wenig nach unten gleiten. Und ich muss sagen, dass ihre Methode wirklich gut funktionierte, auch wenn ich langsam wie eine Schnecke war, erreichte ich überglücklich und vor allem lebend 😅😂 den Bergsattel.

Der Bergsattel war übersät mit kleinen Steinen, die wie Wellen aneinandergereiht waren. Würde man mir ein Foto davon zeigen, würde ich sagen, dass es ein Foto vom Sandstrand wäre. Wir suchten nach einem Weg und entdeckten dabei einen Fluss, der hinab ins Tal verlief und entschieden uns dafür diesem einfach zu folgen, wobei wir tatsächlich nach einiger Zeit einen Trampelpfad fanden. Die ersten Regentropfen fielen vom Himmel, sodass wir unser Tempo beschleunigten. Je weiter wir hinab gingen, desto breiter wurde der Fluss. Auch die kahle, rote Landschaft änderte sich. Dicke Moosschichten wuchsen nun entlang des Flusses, sodass wir gut aufpassen mussten, wohin wir traten, damit wir nicht im Wasser landeten. Der Regen wurde kontinuierlich stärker. Nun waren wir sehr froh über unsere Entscheidung, denn bei diesem Wetter möchte man nicht auf einem Gipfel stehen bzw. auf dem Weg hinauf oder hinab sein.

Wir erreichten die Autostraße auf Höhe der Incachaca-Lagune. Wir packten unsere Wanderstöcke ein und warteten auf ein Auto oder ein Trufi, das uns wieder mit nach La Paz nehmen kann. Nach nur wenigen Minuten hielt ein Pick-Up an. Der Fahrer signalisierte uns, dass wir hinten drauf springen sollen. Wir kletterten auf die Ladefläche und der Fahrer fuhr direkt los, denn hier auf der Landstraße zu halten, war keine gute Idee. Wir mussten uns schnell festhalten, damit wir nicht umkippten. Alles ging so schnell. Wir mussten lachen über dieses verrückte Erlebnis, das man so niemals in Deutschland erleben würde: Einmal mit Tempo 100 km/h durch die Berge brettern, während der Fahrtwind uns um die Ohren blies.

Min. Höhe: 4510 m
Max. Höhe: 5000 m
Anstieg: 380 m
Länge: 9,29 km
Zeit (mit Pausen): 5:40 h
Lage: -16.3916, -68.0636
Kartenansicht hier

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