Sucre – La Ciudad Blanca

Juli 2023    9 Minuten     0 Kommentare


Die Andenstadt Sucre liegt im Herzen Boliviens und gilt als die schönste Stadt des Landes. Mit 360.000 Einwohner ist sie heute nur die fünftgrößte Stadt in Bolivien. Die größte Stadt mit 1,9 Mio. Einwohner ist Santa Cruz de la Sierra, die knapp 500 km Richtung Osten und damit bereits außerhalb der Anden liegt.

Sucre liegt auf einer Höhe von ca. 2800 m, was das ganze Jahr über für milde Temperaturen sorgt. Die Durchschnittstemperatur beträgt etwa 16 Grad. So konnten wir, obwohl wir zur Winterzeit in Sucre waren, bei Sonnenschein und angenehmen Temperaturen im T-Shirt die Stadt erkunden. Als wir durch Sucre spazierten, sind uns vor allem die vielen weißen Häuserfassaden aufgefallen, die der Stadt den Namen La Ciudad Blanca, die weiße Stadt, gaben. Beeinflusst durch die Spanier wurden die Häuser in Sucre im Kolonialstil erbaut, wobei sich lokale Architekturtraditionen mit europäischen Stilen mischten. Noch heute gibt es zahlreiche gut erhaltene Gebäude aus dem 18. Jahrhundert, wodurch Sucre als besterhaltene Kolonialstadt Südamerikas gilt und damit 1991 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde.

Mercado Central

Die Stadt ist sowohl tagsüber als auch am Abend lebendig. Ein reges und buntes Treiben findet auf den Straßen und in den Parks statt. Sowohl Frauen als auch Kinder verkaufen auf der Straße verschiedene Lebensmittel von Obst über Süßigkeiten bis zu frischem Popcorn. Zudem findet man überall Märkte, wo ebenfalls frisches Obst und Gemüse verkauft wird. Im Mercado Central, dem größten Bauernmarkt, werden zusätzlich auch Eier, Fleisch, Drogerieartikel und Klamotten angeboten. Es gibt zudem einen riesigen Essensbereich mit bolivianischen Köstlichkeiten. Direkt daneben befinden sich mehrere Saftstände, die aus Bananen, Papayas, Kiwis etc. köstliche Säfte zaubern. Auch haben wir eine Abteilung für Torten gefunden. Generell sieht man ständig Menschen mit riesigen, unverpackten Torten auf der Hand durch die Straßen laufen.

Als wir vom Mercado Central zum Plaza 25 de Mayo spaziert sind, wurden die Autos immer weniger, bis gar keine Autos mehr auf den Straßen fuhren. Wie wir bereits aus Santiago de Chile kennen, gilt anscheinend auch in Sucre sonntags in der Innenstadt ein Autoverbot. Dies ermöglichte uns entspannt und stressfrei durch das Zentrum, ohne jeglichen abgasreichen und hupenden Verkehr, zu schlendern.

Plaza 25 de Mayo

Der grüne, mit Bäumen verzierte Plaza 25 de Mayo ist der Hauptplatz in Sucre und lädt durch seine entspannte Atmosphäre sonntags viele Menschen von jung bis alt zum Verweilen ein. Während die Kinder den Tauben hinterher jagten, schaute eine Gruppe älterer Frauen ihnen beim Spielen zu. Eine Band brachte mit ihrer Live Musik eine heitere Stimmung auf dem Platz.

Im Park gibt es drei Denkmäler für die Freiheitskämpfer Simón Bolívar, Antonio José de Sucre und Bernardo de Monteagudo. Ursprünglich unter dem Namen Ciudad de la Plata de la Nueva Toledo, Stadt des Silbers von Neu-Toledo, oder kurz La Plata, das Silber, wurde Sucre am 29.09.1538 vom spanischen Eroberer Pedro Anzúrez als kleine Siedlung gegründet. Die Stadt wuchs rasant aufgrund der Nähe zur Silberstadt Potosí. Wegen ihrer Höhe von 2800 m bot Sucre den Menschen im Vergleich zur 4000 m hoch gelegenen Stadt Potosí bessere Lebensbedingungen. Dies führte dazu, dass die kulturellen, administrativen und religiösen Zentren in Sucre gebaut wurden.

Anfang des 19. Jahrhunderts kam es zu den ersten Freiheitskämpfen gegen das Mutterland Spanien. Der Volksaufstand, Chuquisaca-Revolution, am 25. und 26. Mai 1809 in der Stadt La Plata wird als „erster libertärer Schrei Südamerikas“ bezeichnet. In 1824 wurde der Unabhängigkeitskämpfer und Diktator Simón Bolívar in Peru und Alto-Peru, dem heutigen Bolivien, als Heerführer eingesetzt. Unter Mitwirkung seines Generals Antonio José de Sucre wurden im selben Jahr die Spanier in der Schlacht bei Ayacucho besiegt. Am 06.08.1825 erfolgte die Unabhängigkeit von Spanien. Alto-Perú benannte sich im selben Jahr zu Ehren seines Freiheitskämpfers Simón Bolívar in Bolivien um. Die Stadt La Plata wurde nach Antonio José de Sucre in Sucre umbenannt und wurde gleichzeitig zur Hauptstadt Boliviens. Simón Bolívar wurde der erste Präsident von Bolivien, gab diese Position aber nach kurzer Zeit an Antonio José de Sucre ab. Simón Bolívar schrieb zu der Zeit die erste bolivianische Verfassung in der Casa de la Libertad, die sich direkt am Plaza 25 de Mayo befindet. Ebenfalls wurde 1825 die Unabhängigkeitserklärung hier unterschrieben. Bis 1898 tagte in der Casa de la Libertad der Kongress. Mit dem Ende des Silberbooms in Potosí begann die wirtschaftliche Niederlage, die sich auch auf die nur 80 Kilometer entfernte Hauptstadt Sucre auswirkte. Der Regierungssitz wurde daher 1899 von Sucre nach La Paz versetzt. Bis heute ist Sucre aber weiterhin die konstitutionelle Hauptstadt Boliviens mit Sitz des Obersten Gerichtshofs. Bolivien wird umgangssprachlich daher als Land mit zwei Hauptstädten bezeichnet.

Am Plaza 25 de Mayo befindet sich der Regierungspalast und direkt daneben die römisch-katholische Kathedralbasilika Unserer Lieben Frau von Guadalupe, die aufgrund ihrer langen Bauzeit von über 200 Jahren, sowohl durch Stile des Barocks und der Renaissance beeinflusst wurde.

Ein interessantes Museum am Plaza ist das Museo del Tesoro, das Schatzhausmuseum. Dieses zeigt die Ursprünge, Techniken und Kunst der bolivianischen Edelmetalle und Steine. Auch die alte Tradition der Silber- und Goldschmiedekunst wird genauer erklärt. Ein Highlight des Museums ist der zweifarbige Edelstein Ametrin, der auch Bolivianit genannt wird, da dieser nur in Bolivien vorkommt.

Direkt in der Nähe des Museums befinden sich die beiden Chocolaterien „Para Ti“ und „Taboada“. Sucre gilt als Schokoladen-Hauptstadt, sodass man überall Bonbons und Schokolade kaufen kann.  Die Kakaobohnen stammen aus dem Amazonasgebiet und werden dort von den Gemeinden geerntet und in Sucre in den Schokoladenfabriken zu leckerer Schokolade mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen verarbeitet.

Iglesia de San Felipe Neri

Nicht weit entfernt vom Plaza 25 de Mayo befindet sich das neoklassizistische Kloster San Felipe de Neri. Dieses wurde komplett aus dem Gestein des nahegelegenen Berges Churuquella erbaut. Der beeindruckende Kreuzgang besteht aus zwei Stockwerken, die mit Rundbögen verziert sind und dem Innenhof dadurch einen imposanten Anblick geben. Von der Dachterrasse aus, die mit roten Backsteinen gepflastert ist, hatten wir einen herrlichen Panoramablick auf Sucre.

Monasteria La Recoleta

Wir schlenderten weiter durch die schmalen Gassen mit den malerischen, weißen Häuserfassaden und den geschwungenen Laternen. Vorbei am Museo de Arte Indígena, dem Museum für indigene Kunst, wo gewebte Textilien der Jalq’a- und Tarabuco-Gemeinschaften ausgestellt werden, gingen wir weiter zum Plaza Pedro de Anzúrez, der nach dem Gründer Sucres benannt wurde. Um den Platz herum befindet sich das Kloster La Recoleta, welches dem Franziskaner Orden angehört. Das Kloster wurde 1601 erbaut und dient heute als Museum. Von seinen mit Rundbögen verzierten Gängen aus hatten wir einen grandiosen Ausblick auf die gesamte Stadt mit ihren weißen Häusern und roten Dächern. Wir sahen uns den Sonnenuntergang an, während eine kleine indigene Gruppe einen traditionellen Tanz aufführte.

Cerro Churuquella

Das Kloster La Recoleta befindet sich direkt am Fuße des Berges Churuquella. Über eine steile Steintreppe konnten wir den Berg, der mit Eukalyptusbäumen bewachsen war, besteigen. Entlang des Weges werden durch Steinheiligtümer die 12 Stationen des Kreuzweges, die Jesus vor seinem Tod erlitten hat, dargestellt. Auf dem Gipfel befindet sich die Heilige-Herz-Jesus Kapelle, la Capilla del Sagrado Corazón de Jesús, mit einer Jesus-Statue darauf.

Als wir oben ankamen, roch es stark nach Rauch. Beim Umrunden der Kapelle sahen wir etliche schwarze Aschereste. Wir entdeckten einen Vater mit seinem Sohn. Beide trugen traditionelle Kleidung. Während ein kleines Feuer neben ihnen brannte, führte der Vater mit seinem Sohn eine Zeremonie durch.

Wir blieben nicht lange auf dem Hügel, denn die Aussicht war durch die Eukalyptusbäume eingeschränkt gewesen. Und obwohl dies ein Heiliger Ort ist, befanden sich Unmengen an Müll hier.

Parque Símon Bolívar

Der Park Símon Bolívar ist der größte Park in Sucre. Der Park wurde Mitte des 17 Jahrhunderts angelegt und im 18 Jahrhundert im französischen Stil mit einer Nachbildung des Eiffelturms und des Triumphbogens umgebaut. Der Eiffelturm wurde ebenfalls von Gustav Eiffel entworfen und besteht aus den übrig gebliebenen Materialien des originalen, französischen Eiffelturms.

Die Atmosphäre im Park ist total entspannt. Die hohen Bäume, bunten Blumen und die großen, grünen Rasenflächen locken zum Verweilen und Picknicken ein. Als wir dort waren, gab es gerade ein großes Fest mit Karussells und vielen, vielen Essensbuden. Die Menschen strömten durch die Gänge, während die Musik laut über den Platz hallte.

Am Anfang des Parks befindet sich der Oberste Gerichtshof, der Corte Suprema de Justicia. Dieser wurde von Antonio José de Sucre in 1827 gegründet.

Cementerio General

Als wir zum Hauptfriedhof gegangen sind, sind uns die Frauen vor dem Friedhof aufgefallen, die dort verschiedene Blumen in ihrem traditionellen Gewand auf dem Boden sitzend verkauft haben. Wie wir auf unserer Wanderung nach Maragua erfahren haben, kommen viele dieser Frauen aus dem Umland von Sucre. Sie nehmen einen mehrstündigen Weg auf sich, um ihre selbst angepflanzten Blumen in Sucre zu verkaufen.

Wir waren an einem Sonntag auf dem Friedhof. Viele Familien kamen, um die Gräber ihrer Angehörigen neu zu gestalten. Dabei haben sie sich herzlich unterhalten und viel gelacht. Man konnte sogar Snacks auf dem Friedhof kaufen. Es findet am Tag der Toten sogar auf den Friedhöfen in Bolivien ein Fest statt, welches vom 31.10 bis 02.11. geht. Es wird dann gegrillt, Musik gespielt und gesungen. Die Menschen sind an dem Tag fröhlich und bringen ihren Angehörigen Blumen und kleine Geschenke mit. Der Umgang mit dem Tod schien für uns so viel anders als in Deutschland und Ungarn, wo auf dem Friedhof nur Ruhe und Trauer herrschen.

Durch ein großes Hauptportal betraten wir den Friedhof, der sogar dem UNESCO Weltkulturerbe angehört. Alte, große Bäume säumten den breiten Weg und spendeten Schatten und damit auch angenehme Kühle. Es gab viele Sitzbänke entlang des Weges.

Im vorderen Bereich des Friedhofs waren sehr viele und auch sehr große Mausoleen, die schon fast wie kleine Paläste aussahen. Dies ist der älteste und auch wichtigste Teil des Friedhofs, denn hier liegen zum Beispiel die reichsten Menschen der Stadt oder auch Politiker wie die ehemalige Präsidenten Boliviens.

Der mittlere und hintere Bereich bestanden aus Krypten. Dies sind Häuserähnliche Gebäude, in denen sich die Gräber auf mehreren Etagen und auch nebeneinander befinden. Jedes Grab wird dabei mit Bildern, Blumen, Erinnerungsstücke, Kreuze und vielem mehr  geschmückt. Sie erzählen eine Geschichte über die Person. Manche Bereiche auf dem Friedhof wirkten auf uns wie kleine Gärten, wodurch wir eher das Gefühl hatten, in einem grünen, ruhigen Park zu sein.

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