Cerro Toco
Wir sind beide sehr aufgeregt, denn wir wollen heute den Cerro Toco besteigen. Für uns in vielerlei Hinsicht ein ganz besonderer Berg, denn er ist nicht nur ein Berg, sondern ein Vulkan. Der inaktive Schichtvulkan Cerro Toco wird damit unser erster Vulkan sein, den wir besteigen werden und mit seinen 5604 Höhenmeter zudem auch der für uns höchste Berg.
Um diesen Vulkan besteigen zu können, mussten wir uns im Vorfeld sehr gut akklimatisieren. Dies haben wir zum einen durch die Fahrten zu den Lagunas Altiplánicas und dem Geysirfeld El Tatio, mit jeweils 4300 m, gemacht. Und zum anderen bestiegen wir vor zwei Tagen den knapp 5000 m hohen Cerro Jorquencal.
Wir haben uns für die Tour wieder das Auto von unserem Vermieter geliehen. Der Cerro Toco liegt nur 6 km südlich der bolivianischen Grenze und neben der 27er Straße, welche zum Paso de Jama führt. Dieser 4200 m hohe Gernzübergang ist der nördlichste zwischen Chile und Argentinien. Während der Fahrt erstrahlte der Cerro Toco bereits in den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne. Befahren wurde die Straße nur von LKWs, die weiter nach Argentinien fuhren und Sprintern, die die Touristen zur chilenischen-bolivianischen Grenze brachten, wo diese in einen Jeep umsteigen, um eine Tour durch das Altiplano bis nach Uyuni zu machen.
Kurz vor der Grenze zu Bolivien bogen wir auf eine kleine, kaum sichtbare Schotterstraße ab. Im Schritttempo fuhren wir stetig weiter bergauf. Ein kleiner Hügel noch und dann können wir parken, so dachten wir. Mit durchgetretenem Gaspedal versuchten wir unser Bestes, bis der Motor nachgab und wir mitten auf dem steinigen Hügel stehen blieben. Ach du sch… was machen wir denn jetzt? Wir haben leider damit nicht gerechnet, dass Verbrennungsmotoren für den Betrieb Sauerstoff benötigen, wovon ja auf gerade 5200 m nicht so viel vorhanden ist. Somit lässt natürlich die Leistung stark nach und selbst der kleinste Hügel kann zur richtigen Herausforderung werden. Wir ließen uns langsam rückwärts rollen bis endlich eine halbwegs geeignete Stelle zum Wenden kam. Wir räumten alle Steine aus dem Weg und schafften mit Vollgas zu wenden. Langsam rollten wir die wenigen Meter bergab und parkten auf einer geraden Stelle. Na das war ja ein aufregender Start.
Wir blieben eine kurze Zeit im Auto, tranken warmen Tee und aßen schon unser erstes Sandwich. Die ersten Jeeps mit Touristen fuhren an uns vorbei, die ebenfalls den Toco besteigen wollten. Als wir uns beruhigt hatten, zogen wir unsere Wanderschuhe an und starteten die Tour. Die Luft war kalt, denn die Sonne war zu diesem Zeitpunkt noch vom Toco verdeckt. Langsam gingen wir Schritt für Schritt bergauf und machten immer wieder kleine Atempausen. Der Weg war gut ausgebaut und einfach zu begehen.
Hinter uns kam bereits die erste geführte Wandergruppe mit einem guten Tempo an. Sind wir in so einer schlechten Kondition, ging es mir durch den Kopf. Wir ließen uns davon jedoch nicht stressen und wanderten in unserem kontinuierlichen Tempo immer weiter bergauf. Die Sonne kam langsam hinter dem Toco zum Vorschein und erwärmte sofort die Umgebungsluft, sodass wir unsere vielen Kleidungsschichten Stück für Stück ausziehen konnten.
Wir erreichten nach kurzer Zeit das erste Schneefeld, welches so hart und rutschig war, dass ich es eher als Eisfeld bezeichnen würde. Eis und Schnee, daran haben wir in der heißen Atacama-Wüste gar nicht gedacht. Klar haben wir Schnee auf dem Licancabur gesehen, aber dieser ist auch um einiges höher und auf dem knapp 5000 m hohen Jorquencal, auf dem wir vor zwei Tagen waren, war es viel zu warm für Schnee. Tja, da liegen nun unsere Grödel schön verpackt auf dem Regal in der Unterkunft, nachdem wir sie nun seit 2 Monaten mitgeschleppt haben.
Aber so ist es manchmal 🤷♂️. Wir gingen also ohne Grödel, dafür aber hochkonzentriert über das gefrorene Eisfeld. Die Stöcke hatten keinen Halt im harten Eis und rutschten somit ständig weg. So mussten wir mit kleinen Schritten vorsichtig gehen, damit wir nicht auch noch weg schlitterten. Nach paar Metern haben wir es dann geschafft und konnten weitergehen. Es folgten daraufhin noch einige weitere Eisfelder, die wir entweder mit einem Bogen umgehen konnten oder eben doch überqueren mussten.
Es lag nur noch ein kleiner Berg vor uns, dann haben wir es geschafft, freuten wir uns. Die anderen Wanderer hinter uns waren nicht mehr zu sehen. Beflügelt von dem Gedanken, gleich oben zu sein, gingen wir schneller den Berg hinauf, als uns gut tat, um dann festzustellen, dass dies nur ein Vorberg war. Nach so vielen Wanderungen in unserem Leben müssen wir doch langsam wissen, dass es meistens einen Vorberg gibt, der einen veräppeln will. Wir reduzierten also wieder unser Tempo und nahmen die letzten Höhenmeter in Angriff.
Nach insgesamt 2 Stunden erreichten wir überglücklich den Gipfel des Vulkans Toco. Dieser war durch einen kleinen Steinhaufen mit einem Kreuz, farbigen Bändern, Kuscheltieren und einem Schild gut erkennbar. Hier standen wir also auf 5604 Hm, vor uns ragte der schneebehangene Vulkan Licancabur majestätisch auf. Zu seiner westlichen Seite hatten wir einen atemberaubenden Ausblick auf die Salar de Atacama, der Cordillera de la Sal, der Cordillera Domeyko und San Pedro de Atacama. Die Sicht war gut, sodass wir sehr weit sehen konnten. Auf der östlichen Seite des Licancaburs war das Altiplano Boliviens zu sehen. Auch die Laguna Blanca, die wir auf unserer Jeep-Tour besichtigen werden, können wir von hier oben erblicken.
Wir machten eine lange Pause, snackten unsere Nüsse und das Brot und genossen dabei die herrliche Aussicht. Nach einer Weile kamen die ersten Wanderer am Gipfel an. Wir beobachteten ihre glücklichen und erleichterten Gesichter und Freudenrufe. Wir machten ihnen Platz am Gipfel und setzten uns an den Rand. So viel Trubel auf einmal sind wir sonst gar nicht gewohnt. Nach insgesamt einer Stunde packten wir unsere Sachen und stiegen wieder bergab.
Der Weg hinunter verlief ziemlich zügig, sodass wir bereits am frühen Nachmittag wieder in unserem Auto saßen und auf direktem Weg zurück nach San Pedro fuhren. Mit jedem Kilometer im warmen Auto merkten wir, wie müde und erschöpft wir doch von dieser Wanderung waren. Wir gähnten die ganze Autofahrt über. Wahrscheinlich auch noch Nachwirkungen von der dünnen Luft. Diese merkten wir jedenfalls anhand von unseren stetig stärker werdenden Kopfschmerzen. Als wir unsere Unterkunft erreichten, setzten wir uns in die warme Sonne und tranken ein kühles Bier auf unsere heutige, wunderbare Wanderung.